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Mauritius brennt

Afrika hat eine reiche Fermentationskultur. Doch wie steht es um die weiterführende Destillation? Wir verkosteten den schwarzen Kontinent, beginnend auf Mauritius und fragen uns, warum machen die Briten eigentlich französischen Rhum?



Weißer Sand - weißer Rum!


Mauritius. Mauritius? Wo liegt eigentlich nochmal Mauritius? Knapp Tausend Kilometer vor Madagaskar verbargen sich La Réunion und Mauritius für Jahrhunderte im Indischen Ozean. Von menschlichen Einflüssen verschont konnte sich hier der Dodo gemächlich entfalten, bis 1507 Kolonialherren Ihre Flagge pflanzten. Damit begann ein gemächlicher Aufstieg der hiesigen Industrie. Verschiedene europäische Imperien gaben sich die Klinke in die Hand, Zuckerrohr erfuhr aufgrund des vorteilhaften Klimas einen Aufschwung, der Dodo dadurch wiederum seinen finalen Abschwung.

Seit dem späten 19. Jahrhundert wird Zuckerrohr auf Mauritius industriell angebaut. Und da die umtriebigen Briten lange die Geschicke Mauritius’ lenkten brachten sie auch ihr umfangreiches Zucker-Know-How aus der Karibik mit. Eine der Erfahrungen war die Weiterverarbeitung von Zuckerrohrabfall oder Produktionsübermengen zu Rum. Es sprossen also verschiedene Destillerien aus dem Boden, schön gleichmäßig über die Ebenen der Insel verteilt. Davon sind heute noch Labourdonnais, Chamarel und St. Aubin prominent erhalten. Und da wird es schon zum ersten Mal ungewöhnlich: Britische Insel, Französische Namen?


Eine Insel - mehrere Herzen


Da dies kein Historienmagazien ist kommt hier in einem Shotglas nur so viel: Die Geschichte der Insel beherbergt Briten, Portugiesen, Napoleon, Niederländer und eine halbe MIllion “Vertragsknechte” vor allem aus Indien. Je nach Region ist die Insel demnach niederländisch, französisch, britisch oder auch indisch geprägt. Und obwohl die französische Era nur den kleineren Teil der Historie ausmacht, hat sich sowohl Französisch als Sprache, als auch der Rumstil Rhum Agricole durchgesetzt. Bezeichnendes Beispiel dieses ungewöhnlichen, sprachlichen Hybriden ist das Rum-Schlösschen samt Plantagen und Destillerie Labourdonnais. Welches von einem Briten auf- und ausgebaut wurde.

Hier, ganz im Norden der Insel, begann die Urbarmachung Mauritius’ und sah die ersten Zuckerrohrplantagen im 18. Jahrhundert. Der Rum der hiesigen, für die Augen der Öffentlichkeit leider verschlossenen Destillerie, wird wie fast jeder Rhum der Insel aus Zuckerrohrsaft gewonnen. Melassebasierte Rums sind in Mauritius historisch eine große Ausnahme. Labourdonnais erfrischt uns mit Abfüllungen unterschiedlichen Alters. Auf der Insel am beliebtesten sind neben den jungen, gefiltereten Abfüllungen auch die aromatisierten Rumliköre. Zitronengras, Rosinen, Nelken, Zimt, Orangen, Vanille, Kaffee oder Ingwer werden von Labourdonnais genau so verwendet wie von den zwei größten Mitbewerbern. Im Export hingegen punkten eher die lang gelagerten Abfüllungen. Jahrgangsabfüllungen aus ex-Cognac-Fässern oder Einzelfassabfüllungen sind die Flagschifffe der im Norden gelegenen, mit einem wahrlich märchenhaften Schloss ausgestatteten Domaine Labourdoannis. Ein komplett ausgestattetes, herrschaftliches Anwesen, von der Destillerie nur von gigantischen Mango- und Mahagonibäumen getrennt.


Klippen, Statuen und Tee


Wir schlängeln uns weiter über gewundene Landstraßen durch endlos scheinende Zuckerrohrplantagen gen Süden. Im bergigen Zentrum passieren wir Gischt versprühende Wasserfälle, Teeplantagen, gigantische hinduistische Statuen und Tempel, welche auch von religiöser Diversität der Insel zeugen. Wir müssen uns in neblige Höhen hinaufwinden um am Hang des mit 828m höchsten Berges der Insel die Destillerie Chamarel zu finden. Versteckt im Hochland wird hier Rum in mehreren Monaten des Jahres für Besucher sichtbar hergestellt, das Zuckerrohr teils selbst in direkter Umgebung angebaut. Wie bei Labourdonnais findet sich auch hier ein beschauliches Restaurant und wir haben die Möglichkeit, Sonderabfüllungen zu verkosten. Zwar fühlt sich die Tour touristisch und weniger inspiriert an. Doch erhält man interessante Einblicke, während man direkt durch die verarbeitende Maschinerie und Lagerräume wandeln darf. Und im Anschluss die klasischen “Ti-Punch”-inspirierten Liköre und junge Abfüllungen kostenlos probieren kann.

Ich hingegen setze mich lieber noch ins Restaurant, probiere mich durch die gelagerten Preziosen dieser Rhumerie. Mit VS-, VSOP- und XO-Abfüllungen orientiert man sich klar am Cognac und nutzt teils auch französische Eiche zur Lagerung. Die klaren Ecken der größtenteils in einer Kolonne gebrannten Rohbrände werden hier angenehm eingebunden. Noten von Gewürzen und getrockneten Früchten gewinnen dank Eichenfasslagerung langsam die Oberhand über das mitunter grasige, florale der jungen Rhums. Diese Gläser sind hervorragende Gesellschaft um den nächsten Regenschauer des vor der Insel wütenden Zyklons auszustehen. Um es danach weiter zur letzten der drei Produktionsstätten zu wagen, ohne auf der Straße weggeschwemmt zu werden.



Ein Sturm ist auch auf der schönsten Insel immer noch ein Sturm...


Südlicher Charme


Die in der Nähe der napoleonischen Seeschlacht um Mauritius gelegene Plantage St. Aubin wurde bereits 1819 gegründet und erhält sich viel Ihres kolonialen Charmes. Eine breite Kiesauffahrt führt vorbei am herrschaftlichen Haus inklusive Restaurant und kleinem Museum. Gegen eine kleine Gebühr können Vanilleplantagen, tropische Gärten, ein kleiner Zoo und das Haus besucht werden. Ach ja, und auch die Destillerie.

Nur bei der Vanilleplantage lohnt sich für mich ein längerer Stopp, hier werden seltene Einblicke gewährt. Anschließend gilt es jedoch, den Mitarbeitern im kleinen Produktionshäuschen der Destille bei der Arbeit live zuzuschauen. Saft-Abpressen, reinigen der Brennblasen, Büroarbeit und Flaschenabfüllung passieren bei offenen Fenstern und Türen. Tropische Luft trägt Fermentationsgerüche durch alle Räume. Es ist überaus erquicklich, dass auch heutzutage eine Destillerie noch so ungezwungen und nahbar funktionieren darf. Im Verkostungsraum sind die Ausschenkenden ebenso leicht euphorisiert wie die Kostenden. Beim Flaschenabfüllen per Hand wird gesungen und im Büro sitzt bei offener Tür ein freundlich grüßender älterer Herr an einem etwas in die Tage gekommenen Computer. Es ist alles reinlich und ordentlich, der Natur wird nur rund um die Produktionsstätte Ihr Willen gelassen.

Das Restaurant und Herrenhaus sind zwar nicht so beeindruckend wie bei der Konkurrenz, doch ist St. Aubin auch die kleinste der Drei. Und produziert in diesem verschlafenen Winkel Mauritius’ primär für den heimischen Markt. Der Konkurrenz ähnelnde Abfüllungen erreichen nicht ganz deren Qualität, sind dafür aber für die lokale Bevölkerung erschwinglich.


rundum Rhum


Unter’m Strich kann Mauritius sowohl als Strandparadies, als auch für eine Destilllerie-Entdeckungstour herhalten. Die freundliche, aufgeschlossene und hoch gebildete Bevölkerung versucht zwar, aus den Zuckerrohrfeldern heraus zu kommen. Doch gibt es einen spürbaren Zug hin zu hochwertigen Rhums mit lokalem Kolorit. Kostenswert auf Englisch und Französisch - am besten jedoch ohne Zyklon!



Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Mixology Online in 2018.

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