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Arbeiten im Ausland - Australien

Arbeiten im Ausland – natürlich am Liebsten am Palmenstrand mit wenigen Arbeitsstunden für viel Geld – wer träumt nicht ab und an davon? Hier wird beleuchtet, in welchen Ländern sich ein Auslandsaufenthalt für Gastronomen lohnen könnte. Diesmal – Australien.


Wie bereits an verschiedenen Stellen offenbar wurde, ist Australien schon länger ein ganz heißes Eisen der internationalen Barszene. Experimentierfreude und hohe Qualitätsstandards treffen auf Millionen trinkfreudige Gäste mit Sinn für gutes Essen und Getränke. Hinzu kommt ein, besonders in nordeuropäischen Breiten berühmtes, immersommerliches Klima und strandverwöhnte Städte. Doch eigentlich eine traumhafte Verbindung, um mal ein Jahr der wolkenverhangenen, miesmuffeligen Deutschmeierei zu entkommen, oder?

Tatsächlich sind Australiens Bars ein Labor für allerlei Einflüsse, Spirituosen, Arbeitstechniken und –standards. Auf wunderbar leichte und beschwingte Art wird hier das hochtrabende Wort „Mixologie“ auf ganz unakademische Weise in jedermanns Glas gegossen. Keine hochnäsigen Trinkvorträge trüben das Kost- und Trinkgelage. Die Gäste danken es einem mit Interesse, Trinkfreude und Genuss. Die Barszene ist auf sehr hohem Niveau, der Experimentier- und Recherchierwille vieler Protagonisten ist unerschöpflich und fördert wöchentlich neue Techniken, Rezepte, Zutaten und Bars zu Tage. Welche nicht nur die beiden Metropolen Sydney und Melbourne, sondern eben auch Adelaide, Brisbane und besonders Perth mit einer unglaublich reichhaltigen Barszene ausstatten, in denen auch internationales Talent gerne eingestellt wird. Diese Aspekte alleine sollten für schon genügen, über ein Engagement in Down Under nachzudenken.


Schuld ist der Bartender


Auf dem sechsten Kontinent ist das Trinken nicht nur ein wichtiger Teil des Lebens, sondern irgendwie zu einem eigenem Lebensstil geworden. Dies ist für Bars und Bartender allenthalben begrüßenswert.  Allerdings müssen auch die Grenzen des genussvollen Trinkens erkannt werden. Und hier liegt wohl der größte Unterschied für jeden europäischen Bartender: der juristische. Denn Australien hat ein von öffentlicher Hand überaus stark reguliertes Alkoholausschanksystem. Im ganzen Land muss jedes einzelne, Spirituosen enthaltende Getränk ganz klare Richtlinien einhalten. Auch haften Alkohol Ausschenkende (Bartender, Kellner, Manager, Barbesitzer und sogar Runner) nicht nur für Unfälle innerhalb der Bar aufgrund von übermäßigem Konsum, sondern auch außerhalb davon. So gibt es Geschichten von Barbesitzern oder Bartendern, die verklagt und schuldig gesprochen wurden, weil ihre Gäste an Alkoholvergiftung oder beim Überqueren einer Straße auf dem Nachhauseweg zu Schaden kamen. All diese Regularien dienen der Eindämmung der … nun, „euphorischen Trinkfreude“ der Australier, welche einen des Öfteren an 16-Jährige Jugendliche in unseren Breiten erinnert.

Da all dies weitreichende Konsequenzen haben kann und die sieben Staaten die diesbezügliche Fortbildung aller in der Gastronomie Tätigen forcieren wollen, gibt es seit einigen Jahren eine Art „Ausschanklizenz“ (RSA – responsible service of alcohol). Um diese zu erhalten muss man an einem eintägigen Kurs für ungefähr $100 teilnehmen und die anschließende Prüfung bestehen. Wer dies nur als Formalie abtut wird jedoch immer wieder überrascht, wie ernst die Australier diese Regeln nehmen. Und die damit einhergehenden Einschränkungen im Sinne der mit  „ansteigendem Alkoholkonsum größer werdenden Risiken für Gesundheit und sozialem Wohlgefühl“. Der Autor erlebte neben den üblichen Rausschmissen auch halb- oder einstündige Trinkverbote einzelner Gäste und die ganze Palette von Hausverboten, Geldstrafen, angedrohten Ladenschließungen, bis hin zu Existenzängsten von Großgastronomen aufgrund betrunkener Gäste.


Arbeit ist nicht alles


Doch genug der Gesetze. Denn abseits dieser Restriktionen ist Australien lässig bis ins Mark. Das Land profitiert gerade vom Ressourcenboom, alle verdienen gutes Geld und sind trotzdem nur allzu gerne bereit, exakt 17:00 den Stift oder Hammer fallen zu lassen. Denn Arbeit ist in Down Under schon irgendwie wichtig, aber nur Mittel zum Zweck. Und dass Arbeit der Freizeit im Wege steht, ist das Letzte, was einem Australier passieren wird. Demnach sind alle Bars 17:05 knüppeldicke voll, die Gäste bald auch und dann geht es vielleicht noch mal an den Strand. Daraus resultiert ein für uns unüblich früh beginnender Arbeitstag. Viele Bars bieten auch Essen an und öffnen daher bereits zur Mittagszeit. Gleichzeitig müssen per Gesetz fast alle spätestens um Mitternacht schließen und so verschiebt sich der ganze Tag erfrischend nach vorne. Vorbei sind die Nächte, in welchen man sich erst 4 oder 6 Uhr morgens nach Hause schleppt. Ein tatsächlich verblüffend großes Plus an Lebensqualität. Weiterhin erahnt man nicht, wie sehr sich die eigenen Arbeits- (und Sauberkeits-…) standards noch einmal verbessern, wenn man in gleißendem Sonnenlicht arbeitet.

Essenziell ist natürlich ein Arbeitsvisum. Australien ist diesbezüglich glücklicherweise sehr offen und mit einer kleine Gebühr und einem 45-minütigem Onlineformular ist das Working Holiday Visa eigentlich nur eine Formalität. Selbiges muss spätestens bis zum Ende des 30. Lebensjahres ausgestellt worden sein. Danach hat man ein Jahr Zeit, einzureisen und ab dem Einreisetag hat man wiederum genau ein Jahr in Australien. Arbeitsbeschränkungen – auch in der Gastronomie – gibt es nur eine: maximal sechs Monate Arbeit bei dem gleichen Arbeitgeber.

Die Löhne liegen in guten Bars zwischen $18/h (New South Wales) und $26/h (Western Australia) extrem hoch. Inklusive Trinkgeld geht man mit bis zu $30/h nach Hause. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in Australien auch enorm hoch und für ein vernünftiges WG-Zimmer/Einraumwohnung in halbwegs zentraler Lage muss man schon mit $1000/Monat aufwärts rechnen. Weiterhin sind Restaurants, Cafés und Bars qualitativ zum Glück auf sehr hohem Niveau – preislich jedoch unglücklicherweise ebenso. Ein Bier für $8, Wein für $12 und Zigaretten für $20 machen aus jedem Portmonee schnell wieder ein gähnendes Loch.

Finanziell wird man also – besonders aufgrund der vielen Ausflüge in jene wundervollen, die Städte umgebende Weinanbaugebiete, den Outback oder nahe liegende Traumziele – nicht wohlhabender zurückkehren. Wahrlich reich wird man hingegen an Erfahrungen aller Art. Denn zu guter Letzt wächst man eben auch als Mensch über seine Grenzen hinaus. Sprache, Gesellschaft, Menschen, Arbeit und Lebensstil sind schlicht und ergreifend fremd und fördern und fordern einen in allen Lagen und Situationen. Zurück kehrt man bewanderter, erfahrener, weiser und gelebter. Und ist am Ende nicht genau dies eine der großen, von Außenstehenden manchmal als mythisch empfundenen Qualitäten eines Weltklasse Bartenders? Ein kosmopolitischer Bonvivant, wie von Stanislav Vadrna oder Robert Vermeire gefordert?


Dieser Artikel erschien in leicht abgeänderter Form das erste Mal am 26.09.2013

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